Die Zukunft wird so aussehen,wie wir sie gestalten


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Agiles Prozessmanagement am Beispiel einer Krankenhausorganisation

Artikel aus der Publikation: Eggert, S. (2023): ERP Information. Das Fachmagazin für den unternehmensweiten IT-Einsatz; S. 29 – 33
Manfred Brandstätter, 2023

1.1 Problemstellung als Anforderung der vorliegenden Arbeit
Der Automatisierungsgrad im innerbetrieblichen Geschäftsprozessmanagement in Krankenhausorganisationen lässt immer noch zu wünschen übrig. Das Kernproblem liegt weniger in der Qualität der verwendeten Informationstechnik, sondern oftmals im Unterschied zwischen der Zielsetzung von Abläufen und der realen Zielerreichung. Typische Beispiele sind oftmals inkonsistente Erwartungshaltungen der Mitarbeiter und Entscheidungsträger einer Krankenhausorganisation und seiner Anspruchsgruppen (Patienten, interne Kunden des Krankenhauses, wie z.B. Ärzte, Pflegekräfte uvam., Lieferanten und Abrechnungsstellen der Sozialversicherungsträger). Oft besteht auch eine unüberwindbare Lücke zwischen der normativen Modellierung der Krankenhausorganisation einerseits und der realen Ablauf- und Aufbauorganisation andererseits [1].

1.2 Veränderung in Organisationen
Folgende Erkenntnisse können aus der Vielzahl der erfolgreichen Organisationsveränderungen im Dienstleistungsbereich gezogen werden:

– Eine tiefgreifende Verbesserung der Abläufe und dadurch resultierender Kostenreduktionen ist nicht durch eine zentral verordnete Optimierung erzielt worden, sondern durch das Starten von teamorientierten Verbesserungsprogrammen [2].
– Je einprägsamer und einfacher Veränderungen in einer Organisation gestartet werden, desto nachhaltiger sind die Ergebnisse [3].

Prozessmanagement ist schwierig und herausfordernd. Daran wird eine neue Methodik oder ein neues Rahmenwerk wenig ändern. Denn das Wesen des Prozessmanagements ist ein bewusster Umgang mit Menschen in Organisationen, Konsequenz in der Anwendung, Innovation sowie Kreativität bei Verbesserungen und Veränderungen.

Die Auslöser einer Änderung sowie die verwendeten Methoden und Modelle für Veränderungen am Beispiel einer Krankenhausorganisationen können vielschichtig sein [4].

Eine Krankenhausorganisation ist, so wie jede Organisationseinheit in einem Unternehmen, als ein mehrdimensionales Objekt mit einem komplexen Wirkgefüge erkennbar [5]. Eine Änderung dessen, bedarf daher Initiativen, an dem die betroffenen Personen eine gewichtige Rolle spielen müssen [6]. Wenn man nun von Veränderungen in der Organisation spricht, dann sind es drei Ebenen auf die diese Veränderungen – direkt und indirekt – wirken [7]:
– Veränderung in der Ablauforganisation – durch geänderte Prozesse, Rollen, Zuständigkeiten und Aufgaben,
– Veränderung in der Aufbauorganisation und der Verantwortlichkeiten – durch geänderte Strukturen und Reorganisationen,
– Veränderungen im sozialen Gefüge und im persönlichen Arbeitsverhalten – durch die oben genannten Strukturveränderungen.
1.3 Prozessmanagement
1.3.1 Der Begriff des Prozessmanagements in der betrieblichen Praxis
… wird oft auch als Geschäftsprozess Management oder Business Process Management (BPM) bezeichnet, beschäftigt sich mit dem Herausfinden, Gestalten, Standardisieren, Dokumentieren und Verbessern von Geschäftsprozessen. Dabei werden die Tätigkeiten: Analyse der IST-Situation, Konzeption einer neuen SOLL-Situation mit Optimierung, Standardisierung, Implementierung und lfd. Nachverfolgung und Anpassung in einer Organisation synchronisiert [8].

1.3.2 Agiles Prozessmanagement
Agiles Prozessmanagement steht als Platzhalter für einige seit wenigen Jahren etablierte Methoden und beschreibt grundsätzlich sehr simple, aber dafür sehr effektive und effiziente organisatorische Rahmenwerke für die einfache Implementierung und die lfd. Adaptierung von Abläufen in einer Organisation. Alle bekannten Methoden basieren auf einer iterativen Vorgehensweise und sind mit wenigen, jedoch einfachen Regeln, Rollen und Artefakten ausgestattet.

Scribble ist sicherlich die älteste und meistverbreitete Form des agilen Prozessmanagements und basiert auf einem dreistufigen Phasenmodell:
1. In der Initialphase (Phase des Verstehens) werden jene Abläufe identifiziert, die neu gestaltet oder aber optimiert werden sollen. Die sogenannte Identifikation der Aufgabenstellung, kann die Neugestaltung oder Umgestaltung eines oder aller Prozesse (Kern-, Support- oder Führungsprozesse) oder die von Teilprozessen sein.
2. Die Gestaltungsphase (Phase der Gestaltung) beschreibt den Hauptaspekt dieser agilen Prozessmethode. Sie beinhaltet die Tätigkeiten von der Konzeption einer Arbeitsgrundlage für die Entwicklung oder Überarbeitung, das Simulieren und Testen sowie das Abschließen der Prozesse bis zum Übergang in die Betriebsphase.
3. Die Betriebsphase (Phase der Anwendung und Ausführung). Nach der Abnahmeprüfung des fertig gestellten und simulierten Prozesses oder Teilprozesses, geht dieser in die Betriebsphase des Tagesbetriebes über. Das Team, das in der Gestaltungsphase involviert war, übernimmt somit den Regelbetrieb und ist für die Einhaltung der selbst erstellten Verfahrensanweisungen zuständig. Die Träger des Prozesswissens in der Methode des agilen Prozessmanagements sind kollektiv die Personen der jeweiligen Projektteams, die in der Gestaltungsphase die Prozesse entwickelt, simuliert und getestet haben.

Wie sie eine Organisation aus dem Dornröschenschlaf wachküssen können bzw. die Wiederentdeckung der Selbstwirksamkeit in der Arbeitswelt

… viele Prinzen wollten es, sind jedoch an der Dornenhecke gescheitert, bevor der eine mutige, entschlossene Prinz kam, der den richtigen Zeitpunkt fand, um Dornröschen wach zu küssen und es damit auch schaffte, dass das gesamte Königreich wieder erwachte ….
Manfred Brandstätter, 2022

Bevor wir nun die Metapher des Dornröschen Märchens der Gebrüder Grimm als Vergleich mit Unternehmensorganisationen bzw. der Arbeitswelt auflösen, versuche ich die Arbeitswelt, wie wir sie aktuell erleben, mit einigen ihrer Regeln und Glaubenssätze zu beschreiben.
• Die Führung der Mitarbeitenden im Rahmen der Unternehmensorganisation obliegt ausschließlich der Führungskraft.
• Das Verhalten der Mitarbeitenden ist entscheidend für die Wertschöpfung und den Erfolg der Organisation.
• Wenn der Erfolg ausbleibt, wird dies in vielen Unternehmen sehr schnell auf fehlende oder unerwünschte Verhaltensweisen der Mitarbeiter zurückgeführt.
• Die Antwort ist schnell gefunden: „Vielleicht können wir die Mitarbeitenden ja noch dahin entwickeln“ sagt so manche Führungskraft oder „wir benötigen einfach andere Mitarbeitende, oder zumindest Mitarbeitende, die ein anderes Verhalten zeigen.“

Warum ist das so und warum reagieren Führungskräfte in solchen Situationen so.
Blicken wir doch 100 Jahre zurück und betrachten die Gründerzeiten unserer bestehenden Arbeits-, Organisations- und Führungsmodelle. Eventuell finden wir dort eine passende Antwort.
Im Jahre 1911 wurde von Frederick Winslow Taylor sein Werk „Das Scientific Management“ (Wissenschaftliche Betriebsführung) veröffentlicht. Darin stellte Taylor die These auf, Management, Arbeit und Unternehmen mit einer rein wissenschaftlichen Herangehensweise optimieren zu können, um dadurch soziale Probleme zu lösen sowie „Wohlstand für alle“ zu erreichen. Als wesentliche Komponenten gelten:
• die örtliche und zeitliche Trennung von planender und ausführender Arbeit, also die Trennung von Denken bzw. Entscheiden vom eigentlichen Handeln und Arbeiten (Grundlage des weit verbreiteten hierarchischen Organisationssystems) und Schaffung des Systems des „Funktionsmeisters“ (Abteilungs- oder Bereichsleiters)
• Fragmentierung der Arbeit in kleine und einfache Schritte und Zeitstudien zur Ablaufverbesserung und Ermittlung von Vorgabezeiten, um die Effizienz der Arbeit zu erhöhen bzw. Vorgaben des täglichen Arbeitspensums
• Örtliche Zusammenlegung von Tätigkeiten mit gleicher Zielsetzung bzw. Abläufen (Schaffung von Funktionsbereichen und Abteilungen) zur Erhöhung der Effizienz
• Differential-Lohnsystem (Anreizsystem und Variante des Akkordlohnsystems, das eine Mehrleistung überproportional entlohnt)

Taylors Thesen beziehen sich hauptsächlich auf noch eher handwerklich orientierte Massenproduktionsstrukturen im Übergang von der Manufaktur- zur Fabrikarbeit. Zu unterscheiden sind die als Scientific Management benannten Ideen Taylors von deren Weiterentwicklungen und Kritiken, die mit dem Begriff Taylorismus zusammengefasst werden. Und doch prägen diese Ideen immer noch maßgeblich die Gestaltung der aktuellen Arbeitswelt, die Organisation und Führung von Unternehmen.
Wenn wir uns nun auf das Verhalten bzw. auf eine Verhaltensänderung der Mitarbeitenden in Unternehmen konzentrieren, was sind dann laut oben beschriebenem Fall die Optionen für Interventionen? In der traditionellen Betriebswirtschaftslehre (BWL) verwendet man dazu die Faktoren Wissen und Fähigkeiten, um gewünschtes Verhalten der Mitarbeitenden wahrscheinlicher zu machen.
Ein Beispiel aus der aktuellen betrieblichen Praxis :
• Stelle A muss fünf unterschiedliche Aufgaben erledigen, dafür braucht man sieben spezifische fachliche Kompetenzen.
• Diese werden im Rahmen einer Stellenausschreibung angeführt.
• Im Bewerbungsverfahren bekommt zumeist die Person mit den besten Zeugnissen und Zertifikaten den Job.
• Sicherlich sehr vereinfacht und verkürzt dargestellt, jedoch vom Ablauf her betrachtet, entspricht das der aktuellen Realität in der Personalrekrutierung und Stellenbesetzung.
• In der eigenen Organisation müssen die „Hausaufgaben“ selbstverständlich auch gemacht werden, wie z.B.: „Prozesse und Regeln müssen her – und zwar gute. Und diese müssen vor allem solide gesteuert werden.“

Eine situativ lernende Organisation (SLO)

Indikator für eine nachhaltige Veränderungsbereitschaft in Unternehmen
Manfred Brandstätter, 2021

„Eine SLO ist in der Lage, situativ neue Handlungsmuster zu erlernen. Sie helfen ihr neue Situationen besser zu bestehen.“

1. Die Grundsätze einer SLO
Eine situativ, selbstlernende Organisation (SLO9.

… zeichnet sich dadurch aus, dass sich möglichst viele Mitglieder Gedanken über die Zukunft des Unternehmens machen und folglich aktiv an der Entwicklung des Unternehmens mitwirken bzw. dafür Verantwortung übernehmen (Selbstorganisation und Verantwortung).

… nimmt die Realität als solche wahr und versucht neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln, anstatt auf alte zu setzen (Systemdenken und Integration).

… richtet seine Arbeitsgestaltung nach den Bedürfnissen der Kunden aus (Dezentrale Entscheidung und Steuerung).

… glaubt an das intrinsisch vorhandene Potential von Menschen und Organisationen zur Leistungsbereitschaft und Weiterentwicklung (Menschenbild Y und moderne Führung).

Es wäre irreführend und sogar falsch zu behaupten, eine SLO in ein Organisationsmodell zu packen oder vielmehr sie als eigenes Organisationsmodell zu bezeichnen. Vielmehr versteht sich eine SLO als ein lebender, fluider Organismus, der in einem Wechselspiel zwischen Ausprobieren und Lernen, zwischen Bewährtem verbessern und Neuem schaffen, immer wieder neu geformt wird. Was jeglicher SLO zugrunde liegt, sind Grundsätze, auf die sie ihr Denken und Handeln aufbaut. Eine SLO beschreibt also keine neue Organisationsform, sondern ist vielmehr ein Attribut, wie z.B. schön, ist also die Zuschreibung einer Organisation, und das im Sinne des Selbstlernens.

Eine SLO wird in meinen Projekten gerne als ein Indikator dafür verwendet, um zu erkennen, dass das Unternehmen nach einem abgeschlossenen Veränderungsvorhaben in der Lage ist, sich selbst und dies ständig durch Selbstlernen weiter zu entwickeln und an die Veränderungen anzupassen (Brandstätter/Kalle 2016).

2. Eine situativ lernende Organisation – aus der Sicht der Systemtheorie, der Neurologie und Organisationstheorie
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“ Diesem Sprichwort des Volksmundes wurde mit der Entdeckung der Neuroplastizität unseres Gehirns die wissenschaftliche Grundlage entzogen. Neuroplastizität beschreibt die Fähigkeit unseres Gehirns, Synapsen, Nervenzellen oder ganze Hirnareale zwecks Optimierung laufender Prozesse zu verändern. Diese Fähigkeit bildet die Grundlage unserer Lernfähigkeit – und das bis weit ins hohe Erwachsenenalter hinein. Erforderlich dafür ist die Konfrontation und die erfolgreiche Bewältigung neuer Situationen.

Eine SLO kann sowohl von der soziologischen Systemtheorie von Niklas Luhman her betrachtet, als auch auf Basis der neueren Erkenntnisse in der Neurobiologie – der Neuroplastizität unseres Gehirns – erklärt werden:

Die systemtheoretische Perspektive
Der Soziologe und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann schreibt die Fähigkeit der Autopoiese, also der Anlage sich selbst zu erhalten und zu erneuern, nicht nur biologischen Organismen, sondern auch psychischen und sozialen Systeme zu. Damit sind aus systemtheoretischen Perspektive auch Unternehmensorganisationen so strukturiert, dass sie sich selbst und ständig neu aus ihren eigenen Elementen erzeugen können. Dieses Verhalten einer Organisation – wenn man dies als Führungskraft auch zulässt – ist laut Luhmann das Ergebnis einer inneren Funktionsweise der Selbsterzeugung, die sich von dem Lernen des eigenen Verhaltens mit sich selbst und seiner Umwelt nährt. Aus systemtheoretischer Sicht stünde einem situativen Lernen in Organisationen damit nichts im Wege. (Luhmann 1984)

Die neurologische Perspektive
Auch die Neurologie gibt grünes Licht für lebenslanges Lernen. Nicht nur das Phänomen der Neuroplastizität unseres Gehirns beweist, dass lebenslanges Lernen theoretisch möglich wäre. Auch die Fähigkeit unseres Gehirns, sich Erfolge zu merken, unterstützt diesen Prozess. Die bei einer erfolgreichen Problemlösung im Mittelhirn freigesetzten Botenstoffe wirken wie Dünger auf Nervenzellen und regen die Fort- und Neubildung von Kontakten an. So werden all jene Nervenzellverknüpfungen verstärkt und ausgebaut, die sich als geeignet erwiesen haben. Beim nächsten Problem, kann auf das im Hirn verankerte Verhaltensmuster zurückgegriffen werden und wir lösen das Problem nicht nur schneller, sondern häufig auch besser. (Hüther 2018)

Menschenbild und Führung als sozialer Prozess
Jeder Mensch ist von Natur aus motiviert und leistungsbereit. Die Aufgabe des Führenden ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit dieses Potential zur Entfaltung kommen kann (McGregor 1970). Der Idee einer SLO liegt das Menschenbild von Douglas McGregor zugrunde. Er revolutionierte in den 1960er Jahren die Diskussion über Motivation und Leistungsfähigkeit, in dem der dem damals weitverbreiteten Menschenbild X das Menschenbild Y gegenüberstellte. Letzteres geht davon aus ….

Das Handbuch für agiles Prozessmanagement.

Mit Scribble Prozesse und Organisationen zukunftsfähig gestalten
Manfred Brandstätter, 2021

Nachhaltige Veränderungen in Organisationen gelingen uns aktuell und in Zukunft nur mehr, wenn wir dabei den Bezug zur Wertschöpfung im Blick haben. (Manfred Brandstätter)

Die Arbeit in seinen unzähligen Organisationsveränderungen der Vergangenheit hat ihm aufgezeigt: Der Prozess ist der heimliche Erfolgsfaktor bei Organisationsveränderungen. Das hat zwei wesentliche Gründe:

  • Ablauforganisationen verändern sich – aktuell ausgelöst durch unterschiedliche Digitalisierungsmaßnahmen in Unternehmen – in der Gegenwart und Zukunft wesentlich öfter und inhaltlich tiefgreifender als noch vor wenigen Jahren. Die Digitalisierung hat einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung von Prozessen: Sie forderte uns auf, Abläufe, Zusammenarbeit, Führung und die Kommunikation in Unternehmen neu zu denken und neu zu gestalten. Es ist demnach nicht nur unsere Aufgabe, bestehende Prozesse zu automatisieren, um sie dadurch effizienter zu machen. Nein! Wir sind aufgerufen, unsere Wertschöpfung neu zu betrachten und uns die Möglichkeiten der Digitalisierung zu Nutze zu machen – in Form von neuen Geschäftsmodellen oder Produkten und Services, die den Kunden und seine Bedürfnisse noch intensiver einbeziehen und ihn damit zu begeistern. Dass damit und vor allem Prozesse betroffen sind, ist selbsterklärend.
  • Veränderungen sind jedoch auch nur dann nachhaltig, wenn dabei die Selbstwirksamkeit der Betroffenen adressiert wird. Selbstbestimmung, Zugehörigkeit und Sinnerfüllung sind drei wesentliche Bedürfnisse, die Menschen dazu treiben, motiviert und leistungsbereit zu sein – oder eben auch nicht. Werden sie nicht befriedigt, passiert das, was in der Vergangenheit bei unzähligen Veränderungsinitiativen beobachtet werden konnte: sobald das Projekt abgeschlossen ist und der Berater das Haus verlässt, setzen sich alte Muster wieder durch.

Grundsätzlich: Der Aspekt der Änderung von Prozessen muss einfach, intuitiv und ohne Aufwand möglich sein. Daher: wenn in Unternehmen mit agilen Modellen in Prozessen – wie z.B. Kanban – gearbeitet wird oder gearbeitet werden soll, kann Scribble sehr gut als Unterstützung für die Gestaltung und Optimierung von derartigen Prozessen in den Teams dienen.

Dieses neue Handbuch sollten Sie unbedingt lesen, wenn Sie Scribble mit seinen ergänzenden Methoden für agile und hybride Organisationen anwenden wollen. Das Buch ist ebenfalls ein nützliches Nachschlagwerk, wenn sie viele Methodenbeschreibungen, Anleitungen, Vorlagen und grafisch gestaltete Checklisten suchen.

Die Schwerpunkte im Buch liegen auf:

  • agil und trotzdem stabil – um die Prozesse in der eigenen Organisation einfacher und flexibler, trotzdem jedoch stabil zu gestalten,
  • konsequenter Fokus auf eine Begeisterung der Kunden mit gleichzeitiger knallharter Mitarbeiterorientierung
  • und das Selbstlernen und Weiterentwicklung in der Organisation zu unterstützen.

Das Buch ist für Führungskräfte, Organisationsentwickler, Prozessverantwortliche, Interessierte an agilen Themen und Qualitätsmanager geschrieben.

Erscheinungsdatum: April, 2021

200 Seiten, Format 24,0 x 19,0 cm

Preis: 39,99 € (inkl. MwSt.)

Gruppendynamik als Lernraum für emotionale Intelligenz von Führungskräften

Artikel aus der Publikation: Gölzner, H; Meyer, P. (2018): Emotionale Intelligenz in Organisationen: Der Schlüssel zum Wissenstransfer von angewandter Forschung in die praktische Umsetzung

Markus Rieder, 2018

1. Ausgangslage
Beginnen wir mit der Frage: Ist emotionale Intelligenz erlernbar? Einerseits soll es eine genetische Veranlagung geben und andererseits gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass emotionale Intelligenz auch erlernbar ist. Eines scheint sicher zu sein, dass mit steigendem Alter die emotiona- le Intelligenz steigt. Jedoch setzen viele bei dem Versuch die emotionale Intelligenz zu erhöhen, die falschen Lernmethoden ein, weil diese auf den falschen Gehirnteil abzielen. Um die emotionale Intelligenz bewusst zu entwickeln benötigt man Lernformate, die Einfluss auf das limbische System haben (Goleman 2004, 7).
Wir wissen noch nicht, welchen Einfluss die Gene auf die emotionale Intelligenz haben, jedoch ist ein Einfluss anzunehmen. „Entscheidend ist vor allem die Erkenntnis, dass wesentliche Bausteine der emotionalen Intelligenz auf bestimmte Fähigkeiten beruhen – Fähigkeiten, die man erlernen und weiterentwickeln kann.“ (Kanitz, 2015, 29)
Bei verschiedenen Test zur Messung von emotionalen Intelligenz sind Fortschritte bei der Entwicklung der Fähigkeiten sowie die positive Auswirkung auf die Karriere nachgewiesen worden (Blickle, 2011, 6). Gute Lernergebnisse werden z.B. erzielt, wenn es erweiterte Übungs- und Feedbackmöglichkeiten gibt. Alte Gewohnheiten gilt es loszulassen und neue einzuüben. Daraus folgt auch, dass es sich hier immer um einen individuellen Prozess handelt, welcher nicht mit einer kurzfristi- gen Schulung, sondern mit entsprechender Ausdauer und Tiefe erreicht wird Goleman (2004, 7).
Die Ausgangsfrage kann somit mit ja beantwortet werden. Unklar ist jedoch welche exakte Rolle die Gene spielen. In wie weit die angewandte Gruppendynamik als Lernmethode für emotionale Intelligenz geeignet ist, dient als leitende Forschungsfrage für diesen Artikel.
Kurt Lewin gilt als einer der tragenden Persönlichkeiten bei der Ent- wicklung der Gruppendynamik. Vor allem der Nationalsozialismus mit den totalitären Katastrophen seiner Zeit motivierte ihn, um sich mit der Gruppe als sozialen Ort wissenschaftlich auseinander zu setzen (Schat- tenhofer, König 2014, 10). Das zentrale Leitmotiv seiner Forschung war, den Demokratisierungsprozess zu befördern. Dabei spielten die ver- schiedenen Gruppen des sozialen Lebens eine zentrale Rolle, weil dort die demokratischen Ansätze im Alltag umgesetzt werden sollten (Lewin 1975, 78).
Die Entwicklung der Kleingruppenforschung spielte dabei eine beson- dere Rolle, d.h. die Erforschung von Interaktionen in Gruppen, der Um- gang mit Macht, Autorität und Führung, mit Außenseiterrollen, mit sozialer Kontrolle und Konformität. Neben verschiedenen Führungssti- len gilt auch Lewins Feldtheorie, welche als frühe Quelle systemtheoreti- scher Modelbildung herangezogen wird, als zentrale Ergebnisse dieser Forschungen. Die Geburtsstunde der sogenannten „Trainingsgruppe“ entstand zufällig. Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen (Lehre- rinnen, Sozialarbeiter, Geschäftsleute, Gewerkschafter) nahmen bei Ver- anstaltungen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) teil. Sie sollten Einblicke in ihre Verhaltensweisen und Wertehaltungen bekom- men. In mehreren Gruppen von ca. 10 Mitgliedern wurde dabei in Form von Diskussionen, Analysen und Rollenspielen gemeinsam gearbeitet. Der Austausch der Forscherinnen zu den Beobachtungen sprach sich schnell herum und stieß auf großes Interesse, so dass eine engagierte Diskussion zwischen allen Beteiligten entstand. (König, Schattenhofer 2014, 10)
Die Gruppendynamik hat drei Bedeutungen: das Geschehen in Gruppen (die Dynamik von Veränderung und Kontinuität), die wissenschaftliche Erforschung solcher Prozesse (Gruppendynamik als eine Disziplin inner- halb der Sozialwissenschaften) und ein Verfahren sozialem Lernens, das …..

VUKA-Welt und die Welt nach Corona

Gedanken zu: wie verändert die aktuelle Krise den Blick auf uns selbst und wie können wir an der
Krise wachsen?

Manfred Brandstätter, 2020

VUKA-Welt und die Welt nach Corona

Im folgenden Artikel möchte ich die Gedanken teilen, die ich mir zu zwei Fragen gemacht habe : Erstens, wie verändert die aktuelle Krise den Blick auf uns selbst und zweitens, wie können wir an der Krise wachsen?

In schwierigen Führungs- und Krisensituationen geht es nicht nur um professionelles Krisenmanagement, sondern gerade auch um persönliches Selbstmanagement und um Selbstführung. Welche Haltungen und Einstellungen helfen, uns die Krise nicht nur zu überstehen, sondern gestärkt aus ihr hervorzugehen?

Wir alle hoffen auf ein „danach“ und wir stellen uns dabei die Frage: Wie kann dieses „danach“ aussehen? Und wir wissen schon jetzt, die Corona Krise ist eine tiefe Krise, die in der Zukunft die „Richtung ändert“.

Wenn wir etwas genauer hinschauen erkennen wir, dass die medizinische Krise nicht nur tiefgreifende wirtschaftliche, sondern auch psychische Opfer fordern wird. Wir erleben aktuell tiefe Verunsicherung und Erschütterung bei Führungskräften, bei Freunden und bei uns selbst. Ganz greifbar und direkt ist das Entsetzen und das Mitfühlen mit denjenigen die unmittelbar betroffen sind. Das physische Leid und die wirtschaftliche Not vieler erschüttern uns. Unsere psychische Erschütterung geht noch tiefer. Sie wird uns lange begleiten. Im Moment sind wir noch im „Management Modus“ um die äußere Krise zu bestehen. Wir funktionieren einfach quasi auf „Autopilot“, aber wir müssen uns schon heute der Frage stellen: Wie können wir bewusst den Schritt von der äußeren Arbeit zur inneren Arbeit machen, also vom Krisenmanagement zur persönlichen Krisenbewältigung? Diese Krise bietet uns die vielleicht schmerzhafte, aber einmalige Chance, ein Stück zurück zu treten und mit einiger Distanz auf uns selbst zu schauen. Was sehen wir dann eigentlich, wenn wir ehrlich mit uns sind? Die Corona Krise führt uns eines brutal vor Augen, wir stehen vor dem Ende eines Zeitalters der Selbsttäuschung. Die Krise legt schonungslos offen was wir gerne ausblenden, unsere Verwundbarkeit und Fragilität. Wenn wir ehrlich sind, erleben wir in dieser Krise den Verlust unserer Selbstgewissheit. Man könnte auch sagen, unserer Ego-Illusion. Auf diese Illusion haben wir unser Leben und unser miteinander aufgebaut. Sie hat uns bisher Halt gegeben, diesen werden wir nun woanders finden müssen. Ich finde das ist gut so.

Die erste von mehreren Ego-Illusionen, ist die Fortschritts-Illusion. Wir haben uns doch immer gedacht, die Zukunft ist wie die Vergangenheit – nur besser. Wir Menschen sind nun mal lineare Wesen. Wir sind mental so konstruiert, dass wir in Kontinuitäten denken, jedoch nicht in Diskontinuitäten. Wir gründen unser Denken und Handeln darauf, dass die Zukunft eine Fortschreibung der Vergangenheit ist – nur besser. Wir denken uns die Welt einfach viel stabiler und linearer, als sie ist. Darauf haben wir bisher unser Vertrauen in die Zukunft gegründet, auch wenn es objektiv dafür überhaupt keine Gründe gab. Auf eine tiefgreifende Destabilisierung durch Unsicherheit, Uneindeutigkeit und Komplexität sind wir einfach denkbar schlecht vorbereitet.

 

Agile Product Development

Gemeinsam mit dem Anwender Produkte erfolgreich entwickeln

Manfred Brandstätter, 2018

0. Intro

Moderne Produkte und Services sind zumeist in komplexe Vorhaben gekleidet, die darüber hinaus oftmals mit begrenzten Ressourcen in kurzen Zyklen entwickelt werden müssen. Die Produktentwicklung ist daher in vielen Unternehmen eine zentrale Herausforderung geworden. Mittels agiler Ansätze versuchen die Unternehmen immer öfter, diese Herausforderung anzugehen. Allerdings gibt es auf dem Weg dorthin noch einige Hindernisse zu überwinden, wie z.B. Abgrenzungen in den Verantwortlichkeiten, divergente Zielvereinbarungen der Projektteilnehmer, die dann ggf. auch noch über mehrere Abteilungen hinweg im Widerspruch zu den Zielen des eigentlichen Produktes stehen.

Der vorliegende Artikel beschreibt im ersten Teil meine diesbezüglich beobachteten Problemstellungen im Bereich der Produktentwicklung, Im zweiten Teil versuche ich meine Wahrnehmung dieser Veränderung mit den Auswirkungen, den neuen Anforderungen, den geänderten Rollendefinitionen und neuen Methoden der Produktentwicklung sichtbar zu machen. Im dritten Teil schließlich wage ich den Versuch, eine generische Anleitung für Produkt- und Serviceentwicklungen zu gestalten und im vierten Teil ein Fazit zu ziehen.

 

1. Produktentwicklung einst und jetzt

Viele Unternehmen befinden sich im Bereich der Produkt- und Serviceentwicklung in einer von Projekten und projektorientierter Denkweise bestimmten Arbeitswelt. Dabei wird das Projektmanagement größtenteils in der traditionellen Methode laut IPMA (siehe GPM, 2017), PMI (siehe PMI, 2017) oder PRINCE2 (siehe OGC, 2009) umgesetzt. Das ist bei einer klaren Aufgabenstellung sowie einer eindeutigen und finalen Spezifikation, kombiniert mit umsichtigem Anforderungsmanagement absolut in Ordnung. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass ein erfolgreiches Projekt noch lange kein erfolgreiches Produkt hervorbringen muss.

Seit mehr als 15 Jahren beobachte ich in der Produkt- und Serviceentwicklung – gleichermaßen in den Bereichen Automobil, Informationstechnologie, Nahrungsmittel, Finanzdienstleistungen und Pharma – dass sehr unterschiedliche Denkweisen bestehen. Die oben angeführten Branchen sind jene, in denen ich Projekte selbst geleitet und begleitet habe, also persönlich Erfahrungen sammeln konnte. Das oben beschriebene Problem liegt meiner Einschätzung nach vor Allem in folgenden drei Konflikten begründet:

  • Zielkonflikt
  • „Ober-sticht-Unter“ Konflikt
  • „Fire-and-forget“ Konflikt

 

World Agile Invention Award

Die Organisationsgestalter leisten beim Motorenhersteller Deutz AG ausgezeichnete Arbeit.

Manfred Brandstätter, 2018

Seit dem Jahr 2016 begleiten wir unseren Kunden Deutz AG in der Transformation des Forschungs- und Entwicklungsbereichs in Richtung einer agilen und daher adaptiven sowie selbstlernenden Organisation.

Wir sind stolz darauf, dass am 26. November dem Unternehmen Deutz AG der World Agile Invention Award verliehen wurde.

Gemeinsam mit der RWTH Aachen und einem hochkarätigen Industriekonsortium, zeichnet das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT damit Deutz AG zu den fünf besten Unternehmen eines weltweiten Benchmarkings im Bereich der Agile Invention aus. 

Ziel des Benchmarking ist es, exzellente Vorgehensweisen für die frühen Phasen des Innovationsprozesses führender Unternehmen zu erkennen und den Mehrwert des Einsatzes agiler Entwicklungsmethoden zu identifizieren. Neben Deutz AG wurden die Unternehmen: Daimler, Claas, KION und Voith ausgezeichnet.

Danke an das Team Die.Organisationsgestalter im Namen der DEUTZ AG. Dank der fundierten Expertise von Manfred Brandstätter konnten wir das Thema Agilität in unserem Bereich gemeinsam formen und voranbringen. Manfred war dabei nicht nur in der Rolle des Beraters sondern als echter „schaffender“ Teil des Agilen Kompetenz Centers ein absolut wertvoller Partner.

Dipl. Ing. Michael Halfen, Leiter DEUTZ Agiles Kompetenz Center

Weiterführende Information:
https://www.ipt.fraunhofer.de/de/presse/Pressemitteilungen/20181207_konsortial-benchmarking-fraunhofer-ipt-kuert-unternehmen-fuer-den-einsatz-agiler-entwicklungsmethoden.html

https://www.deutz.com/media/pressemitteilungen/fraunhofer-institut-zeichnet-deutz-fuer-agile-entwicklungsmethoden-aus/

Scribble

Das Arbeitsbuch für agiles Prozessmanagement

Manfred Brandstätter, 2016

Vorwort

Ich möchte zu Beginn meinen persönlichen Zugang zu Unternehmensorganisationen und Arbeitswelten beschreiben.

Organisation bedeutet für mich: Die ständige Beschäftigung mit den darin tätigen Menschen mit dem Ziel einer funktionierenden arbeitsteiligen und dabei spaßvollen Zusammenarbeit, dynamisch angepasst an die inhaltlichen und formalen Rahmenbedingungen. Für mich ist die Beschäftigung mit Organisationen also viel mehr als nur:

  • Das abstrakte Formulieren von Abläufen im Kontext zum Unternehmenszweck,
  • das Beschreiben der dafür notwendigen Verfahrensanweisungen für die Rollen und Verantwortlichkeiten in Stellenbeschreibungen und Organigrammen,
  • sowie das anschließend gemeinsame Umsetzen in der Organisation und dies meistens in Form von temporären Vorhaben für Optimierungs-, Befähigungs-, Digitalisierungs-, also generell von Veränderungsprogrammen.

 

Die Organisation stellt für mich also kein statisches, sondern vielmehr ein dynamisches Modell für die funktionierende Zusammenarbeit von Menschen dar. Mich interessieren dabei die unterschiedlichen Tätigkeiten im Rahmen:

  • Der Gestaltung der Organisation in Kombination mit einer co-kreativen Konzeptionsarbeit, zur Gestaltung der Zusammenarbeit,
  • der Befähigung der Mitarbeiter und Führungskräfte,
  • der Begleitung der Organisation in der Umsetzung,
  • des eigenen Lernens unter anderem aus den Beobachtungen der unterschiedlichen Verhaltensmuster in der Zusammenarbeit von Menschen.

 

Mein Zugang zum Thema Organisation war ursprünglich die ausschließliche Beschäftigung mit temporären Organisationen, also jenen Vorhaben die zumeist spontan entstehen und zu einer bestimmten Zielsetzung sowie schon zu Beginn mit einem bestimmten Ablaufdatum in Unternehmen etabliert werden. Ich spreche dabei von sogenannten Projektorganisationen. Projektmanagement ist mittlerweile integraler Bestandteil der modernen Unternehmensorganisation. Folgende Aspekte beschreiben den schrittweisen Einfluss der Projektorganisation und des Projektmanagements in die Unternehmensorganisation:

  • Die Menschen, die derartige Projekte starten, die sie leben und erleben, werden zum großen Teil mit denselben Situationen konfrontiert, wie sie im Tagesgeschäft der eigenen Linienorganisation ablaufen.
  • Daher wird in den Personalentwicklungsabteilungen, für das Projektmanagement auch der Begriff „Management auf Zeit“ verwendet und der Einsatz der Projektleiter oftmals als Prüfstein für kommende Führungskarrieren verwendet.
  • Für die potentiellen Führungskräfte sind die Ausnahmesituationen der täglichen Führungsaufgabe innerhalb von Projekten oftmals besser erlebbar als in so mancher Trainingssimulation oder so manchem Assessment-Center.
  • Ein weiterer Einfluss von Projektmanagement in die Unternehmenslandschaft ist folgender: In den letzten zehn Jahren wurden in Unternehmen vermehrt, und exponentiell ansteigend, Projekte gestartet und dies nicht nur zur Abwicklung von Kundenaufträgen sondern auch für interne Vorhaben (z.B. für Optimierungen oder sonstige Veränderungsvorhaben).
  • Dadurch wurden Projekte fixer Bestandteile der Unternehmensorganisationen.

 

Diese Verknüpfungspunkte waren auch der Grund, mich intensiver mit dem Aufbau, den Regeln und Prozessen von Linienorganisationen in Unternehmen zu beschäftigen.

Der Anziehungsfaktor für mich in Richtung der Projektorganisationen war und ist noch immer jener, dass die Begegnung der handelnden Personen innerhalb der Projekte auf nahezu selber Augenhöhe abläuft, die Arbeit rund um die Aufgabenstellung im Vordergrund steht und die Personen sich tendenziell weniger hinter Hierarchien und Befindlichkeiten verstecken. Unabhängig von der Größe und der Zielsetzung eines Projektes, begegnen sich Projektauftraggeber, Projektleiter, sowie Arbeitspaketleiter grundsätzlich auf einer „Augenhöhe“ oftmals im Unterschied zum Tagesgeschäft in der eigenen Linienorganisation.

1 Einführung und Zielsetzung

1.1 Problemstellung

Der Automatisierungsgrad im innerbetrieblichen wie im zwischenbetrieblichen Geschäftsprozessmanagement lässt – speziell in KMU-Betrieben – immer noch zu wünschen übrig. Das Kernproblem liegt dabei oft in heterogenen Darstellungen von verschiedenen Perspektiven und von verschiedenen Phasen im Lebenszyklus von Geschäftsprozessen. Typische Beispiele sind oftmals inkompatible Repräsentationen der Intra-Perspektiven zwischen Mitarbeitern und Entscheidungsträgern und Inter-Perspektiven zwischen dem Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen (Kunden, Lieferanten, Anrainern) oder der Lücke zwischen normativer Modellierung für Compliance-Zwecke einerseits und realen Prozessausführungen andererseits (vgl. Brandstätter/Gölzner/Siems, 2006, S. 25).

Derartige Projekte zur Einführung von Prozess- aber auch Qualitätsmanagement sowie die Gestaltung einer prozessorientierten Unternehmung sind oftmals mit einer hohen Misserfolgsrate ausgezeichnet.

Die Begründung liegt laut Aussage von Becker/Kugeler/Rosemann (vgl. 2005, S. 35), neben überzogenen Erwartungshaltungen an die Ziele, in den aufwändigen und dadurch oftmals mangelhaft durchgeführten Methoden für die Implementierung und die laufende Anpassung von Prozessmanagement in den Unternehmensorganisationen. Weiters liegt die Begründung im erhöhten Dokumentationsbedarf zur Sicherstellung der Methode und der dadurch ständig notwendigen, aber leider oftmals nicht erfolgten Unterweisung der Mitarbeiter.

1.2 Was soll mit dem Buch beantwortet werden?

Prozessmanagement ist schwierig und herausfordernd. Daran wird eine neue Methodik wenig ändern. Das Wesen des Prozessmanagements ist ein bewusster Umgang mit Menschen in Organisationen, mit Innovation und mit Kreativität. Oft scheitern Prozessmanagement Projekte oder liefern Ergebnisse, die weder die eigenen Mitarbeiter zufriedenstellen noch die angestrebten wirtschaftlichen Ziele erreichen, weil sie einen Kreislauf selbstverstärkender (amplifizierender) Rückkopplungen in Gang setzen (vgl. Senge, 2003, S. 120).

Folgende grundlegende Fragestellungen werden in diesem Buch beantwortet werden:

  • Wie können aus den Anleihen des Projektmanagements – im Speziellen des agilen Projektmanagements nach der Methode Scrum – Erkenntnisse für ein agiles Prozessmanagement gezogen werden?
  • Was sind die Minimalkriterien für ein neues „Agiles Prozessregelwerk“ für Implementierung, Dokumentation und laufende Adaptierung von Unternehmensprozessen?
  • Welche Voraussetzungen sind für die Anwendung der Methode notwendig und mit welchen Schwierigkeiten ist in der Anwendung von Scribble zu rechnen?

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Agile Methoden für Strategieentwicklung und -implementierung

Anlässlich der Zukunftswerkstatt für Unternehmensentwicklung im Jahre 2015 in Königstein

Manfred Brandstätter, 2015

V-U-K-A Umfeld fordert agile Strategiemethoden

Die Herausforderungen im V-U-K-A-Umfeld kann man mittlerweile als eine anhaltende Veränderungskonstante im unternehmerischen Geschehen betrachten. Damit einhergehend hat sich bereits ein weitreichender Paradigmenwechsel abgezeichnet, der sich in der Neugestaltung von Organisationsdesigns, Führungsverhalten sowie in der Vorgehensweise in der Strategieentwicklung bzw. -implementierung manifestiert. Als Ergebnis daraus werden schnellere, also agilere Reaktionsfähigkeit und eine erhöhte Wirksamkeit erwartet.

Beispiele agiler Strategiemethoden

Nachfolgend sind einige repräsentative Beispiele an Strategiemethoden mit nachfolgenden Fallbeispielen angeführt, die von der Anwendung und Bedienung her gesehen, als mögliche Antwort auf eine V-U-K-A Umwelt zu betrachten sind. Sie sollen helfen in agiler Art und Weise agile Strategien zu entwickeln und zu implementieren.

 

Active Waiting

  • Quelle: (vgl. Sull, 2005).
  • Vertreter der „Verrückten Strategien“ – Die neuen Wilden (vgl. Ralph Scheich, 2012),
  • Kernaussagen: Unternehmen, die in hochgradig volatilen, unvorhersagbaren Marktkonstellationen tätig sind, sollten auf eine Strategie des „aktiven Wartens“ setzen. Die Aussagen von Sull sind: „Wer nur auf seine Chance wartet, der setzt auf Zufall; Wer sein unternehmerisches Glück herausfordern will, nutzt diese Wartephase aktiv und engagiert; Er scannt sein Umfeld, beobachtet Kunden und baut innere Stärken auf, um im richtigen Moment agieren zu können.“
  • Handlungsanleitung: In der Phase des aktiven Wartens (active waiting strategy) kann folgendermassen vorgegangen werden:
  1. Erarbeiten Sie Ihre Vision, aber halten Sie diese „unscharf“. Setzen Sie sich engagiert mit Zukunftsentwicklungen auseinander.
  2. Entwicklen Sie Handlungsreserven (durch Experimentieren und vorsichtiges Manövrieren auch in Ausnahmesituationen).
  3. Rekognoszieren (Ausspähen, aufklären und erkunden) – Die Dynamik des eigenen Geschäftes muss im gesamten Unternehmen spürbar sein. Es wäre falsch nur die Führungskräfte dieser Erkundung auszusetzen und die eigenen Mitarbeiter davon abzuschirmen. Halten Sie die Crew bereit – ähnlich dem aktiven Warten in den „Blaulichtorganisationen“.
  4. Die Crew muss in der Zeit des aktiven Wartens neue Fähigkeiten und Kompetenzen aufbauen. Kündigen Sie den Wandel mit dem richtigen Timing an – wenn die Zeit reif ist, um die neuen Chancen wahrzunehmen, dann ist ein schneller Schritt notwendig und muss offen und rasch kommuniziert werden.“

 

Scrum – agiles Projektmanagement

In: Unternehmensenwicklung: Wissen, Wege, Werkzeuge für morgen, Heitger, B., Serfass, A.

Manfred Brandstätter, 2015

Einschätzungstest Agilität

In: Unternehmensenwicklung: Wissen, Wege, Werkzeuge für morgen, Heitger, B., Serfass, A.

Manfred Brandstätter, 2015

Agile Checkup

Im Rahmen eines Projektes für angewandte Wirtschaftsforschung, gemeinsam mit dem Salzburger Institut für Management (IfM), wurde im Jahr 2009 am Studiengang für Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Salzburg die Wirksamkeit von agilen Managementmethoden in Temporär- und Linienorganisationen erhoben. Das zweijährige Projekt hatte zum Ziel, den Einsatz und die Wirksamkeit von agilen Managementmethoden im Vergleich zu traditionellen Methoden zu erheben und zu bewerten. Ein Teilergebnis des Projektes war die Entwicklung eines einfachen, jedoch aussagekräftigen Diagnoseinstruments – der agile Selbstcheck – sowie die Überprüfung dieses Instruments auf Validität und Aussagekraft an einer Testgruppe, bestehend aus neun österreichischen Unternehmen, davon sieben Vertreter von Dienstleistungsunternehmen (Bildung, Finanz- und Versicherung, Beratung). Wann einsetzen und was bringt‘s? Mit nachfolgendem Test fällt es leichter einzuschätzen, ob die Organisation vom Einsatz agiler Methoden profitieren kann und ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Der Selbsttest dauert ca. 15 Minuten und ermöglicht eine erste Standortbestimmung zum Thema Agilität des Unternehmens oder Unternehmensbereiches. Der Selbsttest ist in drei Module unterteilt. In Modul A ermitteln Sie die Agilität im eigenen Unternehmen (oder Unternehmensbereich). In Modul B wird der Bedarf für den Einsatz von agilen Managementmethoden ermittelt. Dabei wird in B1 der Bedarf im Tagesgeschäft und in B2 der Bedarf im Projekteinsatz ausgewiesen. Abschließend geht es in Modul C um die Ermittlung der notwendigen Voraussetzungen Ihres Unternehmens in Hinblick auf den Einsatz von agilen Managementmethoden. Zeitbedarf etwa 15 Minuten

Wie geht’s?

Geben Sie im nachfolgenden Selbsttest bei den aufgeführten Aussagen jeweils den Grad Ihrer Zustimmung an: drei Punkte für Zustimmung, zwei Punkte für teilweise Zustimmung, einen Punkt bei Nicht-Zustimmung. Danach summieren Sie Ihre Punkte.

A – Die Agilität im eigenen Unternehmen bzw. Unternehmensbereich

1) Ein hoher Anteil an initiierten Aktivitäten bzw. Projekten wird überwiegend erfolgreich abgeschlossen.

2) Unsere Aktivitäten bzw. Projekte unterliegen einer großen Wandlung.

3) Die Mitarbeitenden inklusive der Führungskräfte haben die notwendige Kompetenz zur Lösung von unerwarteten Anforderungen.

4) Die Mitarbeitenden inklusive der Führungskräfte haben den Entscheidungsspielraum zur selbsttätigen Bewältigung von unerwarteten Anforderungen.

5) Die Mitarbeitenden inklusive der Führungskräfte haben einen einfachen und schnellen Zugang zu allen formellen und informellen Informationen.

6) Unser tägliches Umfeld im Markt ist volatil und dadurch ständigen Schwankungen und Änderungen unterworfen.

7) Das Unternehmen besitzt mit sehr gut vernetzten Führungskräften und Mitarbeitenden gute Sensoren in den jeweiligen Zielmärkten.

8) Die Mitarbeitenden inklusive der Führungskräfte kennen die eigenen »Key Earning Drivers«.

Auswertung

Ist die Summe höher als 16, ist die Agilität in Ihrem Unternehmen (Unternehmensbereich) stark ausgeprägt. Es reagiert rasch auf notwendige Änderungen. Änderungen erzeugen keine Irritationen in der Belegschaft.

Liegt das Ergebnis höher als 8, befindet sich Ihr Unternehmen auf dem Weg in Richtung einer agilen Organisation. Ergebnisse unter 8 deuten darauf hin, dass Ihr Unternehmen (Unternehmensbereich) starr organisiert und/oder stark formalisiert ist sowie auf notwendige Änderungen langsam reagiert.

Klick auf das Buch

Agile Methoden für Planung und Umsetzung

In: Harte Schnitte Neues Wachstum: Wandel in volatilen Zeiten. Die Macht der Zahlen und die Logik der Gefühle
im Change Management, Hrsg.,: Heitger, B.,Doujak, A., S. 169-191, München.

Manfred Brandstätter, 2014

Organisationsgestalter Blog

Ist eine Anleitung zur Gestaltung von modernen Organisationen in Wirtschaft und Gesellschaft.

Manfred Brandstätter, 2007, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017

Wenn Bilder die Wirklichkeit ersetzen

Ästhetische Bildung und Liquid Modernity

Prof. Dr. Marcelo da Veiga, 2018

Ästhetische Bildung steht im Zeitalter der Digitalisierung vor neuen Herausforderungen. Um der Bedeutung der Digitalisierung für den Gegenwartsmenschen gerecht zu werden, ist es erforderlich, auf den fundamentalen Bewusstseinswandel, der seit dem 15. Jahrhundert zunächst in der europäischen und dann in der globalen Kultur stattgefunden hat, einzugehen. Der sich hier vollziehende Umschwung vom Deismus zum Humanismus läutet die Moderne ein, die in der Spätmoderne des ausgehenden 20. Jahrhunderts – beflügelt durch die technischen Revolutionen im Bereich der Computertechnologie – zu völlig neuartigen und als ›flüssig‹ zu bezeichnenden individuellen und sozialen Lebensformen geführt hat. Im 21. Jahrhundert zeichnet sich ein Übergang vom säkularen Humanismus zum Dataismus und eschatologischen Digitalimus ab, in dessen Fahrwasser dem Menschen die Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung für die Bewusstseinsbildung abhanden zu kommen droht. In diesem Kontext können sich neuartige therapeutische Herausforderungen an die ästhetische Bildung stellen, deren Rechtfertigungsgrund in der anthropologisch-epistemologischen Grundverfasstheit des Menschen zu suchen ist.

Ästhetische Bildung

Es geht im Folgenden um die Besinnung auf die Bedeutung von ästhetischer Bildung unter den veränderten Lebensbedingungen im digitalen Zeitalter. Ästhetik beschäftigt sich mit Phänomenen, die wir gewohnt sind, dem Bereich der Kunst 36 zuzuordnen. Die Kunstwelt ist in jeder Hinsicht eine von Menschen hervorgebrachte Welt und damit nicht Natur, auch wenn sie dabei auf Materialien zurückgreift, die aus der Natur stammen. Kunst ist, provisorisch gedacht, die Fähigkeit des Menschen, Materialien zu formen und in ihnen etwas auszudrücken, was in ihm liegt und ihm wichtig ist, dass es zur Erscheinung kommt. Bekanntermaßen gliedert sich seit der Antike das Gesamtgebiet der Kunst in Technik und Kunst im zweckfreien Sinne. Auch wenn Design und vor allem das Oberflächen- und Handhabungsdesign1 im Bereich der Technik eine beherrschende Bedeutung gewonnen haben und alle Bereiche des Alltags durchdringen, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kern der ästhetischen Bildung nach wie vor im Bereich der zweckfreien Kunst zu verorten ist. Durch gekonntes Design wird dem Laien und Nichtkönner hochkomplexe Technik für den Alltag zugänglich gemacht. Wir handhaben mühelos Benutzeroberflächen, hinter denen sich das Eigentliche verbirgt und dem Verstehen und Gestalten entzogen ist. Die Ästhetik im Bereich des zweckfreien Kunstschaffens hingegen verdankt ihre Bedeutung für die Bildung gerade dem Umstand, dass der Schaffende in dem Gestaltungsprozess voll präsent ist und der Betrachtende aktiv auf die Anschauung zugeht. Mit dem Ausdruck ›Kunst‹ verbinden wir heute widersprüchliche Haltungen und Gefühle: Zum einen fühlen wir uns an die Vergangenheit verwiesen, die voll monumentaler Kunstwerke ist, deren Schönheit wir zwar heute immer noch bewundern, zu dessen Schönheitsideal wir uns jedoch häufig nicht mehr bekennen können. Zum anderen verbinden wir mit der Kunst heute jenes Feld des menschlichen Experimentierens, Sich-Ausdrückens und Erlebens, das als Gebiet der ästhetischen Freiheit neben den methodisch operierenden Wissenschaften und dem von bürokratischen und wirtschaftlichen Sachzwängen bestimmten Leben bestehen und sich dabei offenbar möglichst jeder vorgängigen Regulierung und Standardisierung entziehen will. Sowohl den Inhalten als auch dem handwerklichen Können nach ist zeitgenössische Kunst unbestimmt, offen und will sich allenfalls situativ bewerten lassen. Kunst ist heute mit Abstrichen der Bereich, der sich eben aller Normierung entzieht, um so einen befreienden und gleichsam heilsamen Kontrapunkt zur allseits normierten und metrifizierten Realität des modernen Lebens zu setzen. Die Kunst der Antike, des Mittelalters und der Renaissance ist zwar durchaus nicht uniform, doch ist sie in Inhalt und Form klar im von Mythos und Religion getragenen Alltag integriert und zudem in der Pflicht, sich auch durch eine handwerkliche Könnerschaft auszuweisen. Kunstwerke der Antike bringen die 37 Welt der Götter und der himmlischen Proportionen in den Alltag und veredeln diesen gleichzeitig durch einen einheitlichen Anspruch auf Formvollendung und Könnerschaft. Spätestens seit der Moderne ist Kunst ein Modus, sich dem Alltag zu entziehen und die Loslösung von vorgegebenen Traditionen in Inhalt und Form zu zelebrieren, um stets Neues, Unorthodoxes und Überraschendes hervorzubringen. Was aber Vergangenheit und Gegenwart in Sachen Kunst und Ästhetik trotz aller Unterschiede teilen, ist, dass es weniger um das Erklären von Tatsachen oder Gesetzmäßigkeiten einer vorhandenen Welt geht als um das Hervorbringen einer neuen Welt einerseits und das Anschauen, das Verweilen im Sehen und Hören andererseits. Wir verhalten uns im Modus der Ästhetik zu Dingen, wenn wir sie – sei es im Produzieren oder im Betrachten – schlicht auf uns wirken lassen und uns damit beschäftigen, wie sie zunächst in der Wahrnehmung gegeben und in ihrem Vorhandensein erlebt werden. Die ästhetische Haltung und Bezugnahme ist mithin das Eingehen auf das Erscheinungsbild und seine Wertschätzung und damit von der wissenschaftlich erklärenden und der technisch verwertenden Art, mit den Dingen umzugehen, unterschieden. Die ästhetische Haltung ist ein Zustand eigener Art in der Auseinandersetzung mit der Welt und sich selbst und die Ästhetik wiederum die Reflexion und Analyse der Wesensmerkmale dieser Weise, sich zur Welt zu verhalten. Wenn wir Objekte oder Ereignisse erzeugen, einfach um uns dadurch in ihnen auszudrücken und sie für uns und andere wahrnehmbar zu machen (und weniger, weil sie nützlich oder verwertbar sind), dann versetzen wir uns in diesen eigentümlichen Modus des Seins. Ästhetische Bildung resultiert aus Tätigkeiten, die auf das Schaffen und das Erleben von Dingen, performativen Ereignissen etc. zielen, deren Sinn der Selbstausdruck des Menschen und die Steigerung seiner aktiven Erlebnisfähigkeit ist. Sie soll den Menschen zum Umgang mit Kunst befähigen, also dazu, ein Kunstschaffender und ein Kunsterlebender zu werden. Wissenschaft, Erkennen bzw. Erklären sind nicht per se vom Bereich der Kunst ausgeschlossen, und umgekehrt ist die Kunst auch nicht aus den Bereichen der Technik und der Wissenschaft auszuschließen. Goethe sprach von der Offenbarung geheimer Naturgesetze als geborene Aufgabe der Kunst und Novalis von der Poetisierung der Wissenschaften als höhere Synthese des Menschseins.2 Dessen ungeachtet: Wer sich im heutigen Sinne wissenschaftlich zu etwas verhält, dem geht es nicht primär um Wahrnehmung und Erleben, sondern eher um Datensätze und Messergebnisse, die aufzufassen es genügt, einäugig und farbenblind zu sein. Die Wahrnehmung ist hier lediglich Anlass zur Theorie- 38 bildung; denn Wissenschaft in ihrer heutigen dominanten Form zielt im Ergebnis auf gedankliche Modelle, die Gesetzmäßiges, Ordnungsstrukturen, Konstanten, die der wechselnden Wahrnehmungswelt so nicht anzusehen sind, vorstellbar machen. Worum es hier als Modus des Verhaltens zur Welt und sich selbst geht, ist Abstraktion: Die Erklärungsformeln der Wissenschaft schließen das Erleben ab und haben nicht vor, bei den Dingen in ihrer jeweiligen Besonderheit zu verweilen. Die ästhetische Haltung und der ästhetische Zugang zur Welt will aber, wie bereits erwähnt, gerade dies erreichen. Es geht um Wahrnehmung und Verweilen-Können bei den Dingen, seien es Natur- oder Kulturgegenstände, in ihrer jeweiligen und zuweilen auch sehr flüchtigen Erscheinung. Eine theoretische Position, die der ästhetischen Haltung zur Welt nahesteht, ist die Phänomenologie, wenn man sie wie Robert Sokolowski als Wissenschaft von der menschlichen Erfahrung versteht. 3 Die phänomenologische Einstellung beschäftigt sich mit der Art, wie Dinge für den Menschen in der Erfahrung und als Erfahrung unmittelbar oder mittelbar gegeben sind. Sie eignet sich deshalb, die Aufmerksamkeit im Rahmen ästhetischer Bildungsprozesse zu schulen.

Die Reise der Führungskraft nach „New Work“

Die Erkundung der Potenziale der digitalen Transformation mit den Auswirkungen auf die Unternehmensführung

Manfred Brandstätter, 2018

Was packt man nun ein, wenn man nicht genau weiß, ob einen selbst subtropische Hitze oder arktische Kälte erwartet? Konkret in Bezug auf die Unternehmensorganisation: Wie kann man sich als Führungskraft rüsten, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten gilt es zu erwerben, welche Haltungen zu (über-)lernen und welche Steuerungskonzepte eventuell hinter sich zu lassen? Die Potenziale der digitalen Transformation sind vielfältig: Neue Geschäftsmodelle, bestehende Kundengruppen können bis hin zur individualisierten Mass Customization, lukrativ und differenzierter bedient werden. Neue Technologien versprechen mehr Effizienz im Inneren. Das Zukunfts- und Zielbild, wie das eigene Unternehmen „digitalisiert“ aussieht, ist jedoch schwammig und kann nur Schritt für Schritt ergründet und gezeichnet werden. Diese Unklarheit verursacht hohe Unsicherheit und die Vielzahl an Optionen erhöht noch zusätzlich die Komplexität.

Führung neu definiert

Um die Kunden individuell, mit einem spürbaren Nutzen und möglichst „sofort“ mit Angeboten zu überzeugen, muss diese Vielfalt und Schnelligkeit sowohl organisational als auch steuerungs- und führungstechnisch abgebildet werden. Merkmale einer solchen „digitalen Unternehmenskultur“ sind oftmals flache Hierarchien, kurze – nah am Markt verortete – Entscheidungswege, schnelles Scheitern mit Prototypen, viele Experimente intern aber auch extern am Markt, heterogene Teams, Lösungsorientierung, Zusammenarbeit großer Gruppen, hohe Dichte in der Vernetzung der Mitarbeiter, agilere Strukturen und eine entsprechende Fehlerkultur mit dem Fokus auf Lernen. Diese Merkmale sind jedoch eine Provokation für die „klassische Führung“ mit ihrer hierarchischen Steuerung und Kontrolle sowie ihrem fixierten Entscheidungsprozedere.

Die Ansprüche an die Führung verändern sich: Ihre Rolle wird neu definiert und damit auch das Selbstverständnis dessen, was es heißt, eine Führungskraft zu sein. Jede einzelne Führungskraft braucht daher eine neue Verortung. Die Chancen und Risiken der Digitalisierung können nicht an eine Unternehmensfunktion oder -einheit delegiert werden. Dafür brauchen Unternehmen Formate, um den nötigen Austausch, die gemeinsame Durchdringung von Themen und eine Abstimmung für das individuellere Agieren am Markt zu erreichen.

Mit Landkarte und Kompass

Für die Verortung der Führungskraft wird mit Führungslandkarten gearbeitet, die jeweils relevante Handlungsfelder in den Fokus rücken. Als Entwicklungs- und Reflexionstool unterstützen sie jede Führungskraft in ihrer Verortung, als persönliche Landkarten sind sie aber auch Grundlage für Dialog und Aushandeln in Führungsteams. Für das Thema Digitalisierung sind Beispiele für die Bearbeitung der Handlungsfelder kurz skizziert.

Digitale Strategie

Wie übersetzen wir Trends für das eigene Geschäft? Welche Wertschöpfungspotenziale haben Plattformen und strategische Kooperationen und welchen Platz wollen wir einnehmen in einem „Digital Ecosystem“?

Kunden & Geschäft

Welche neuen Kundenbedürfnisse entstehen und was bedeuten sie für uns? Wie rücken wir näher zu unseren Kunden und schaffen Gelegenheiten für Co-Kreation mit ihnen? Welche analogen und digitalen Kunden-„Touchpoints“ haben wir heute und in Zukunft? Wie entwickeln wir unseren Markenkern oder schaffen eine Repositionierung?

Agile Organisation & Prozesse

Wo schaffen wir Piloten für agile Organisation und Prozesse und werten sie aus? Wie gelingt eine Auseinandersetzung mit neuen Konzepten: zB Kanban, Scribble, Holacracy, Agile Strategy Maps, Scrum etc? Wie meistern wir evolutionäre und spontane Innovation gleichzeitig? Wie ergründen wir das Digitalisierungspotenzial für alle Geschäftsprozesse/-bereiche?

New Work

Prototypen für neue Arten der Zusammenarbeit bauen und dann nach und nach einführen: interdisziplinäre Teams, Iterationen, Retrospektiven, Transparenz, schnelles Feedback. Welche digitalen Tools & (Meta-)Daten nutzen wir wo und mit wem? Wie schaffen wir einen Rahmen für mehr Selbstorganisation, kontinuierliche Innovation und Neugierde? Wie halten wir (junge) Talente mit Bedürfnissen nach positiver Work-Life-Balance, Raum für Wachstum, Teilhabe an Verantwortung etc? Wo setzen wir bewusst auf qualitätsvolle menschliche Begegnungen und sind offline?

Leadership Community

Wie gelingt der Ausbau der Digital Literacy in der Führung? Welche neuen Rollen, Koordinations- und Entscheidungsinstrumente setzen wir auf? Wie stärken wir Selbststeuerung und Hierarchie- und bereichsübergreifende Kooperation im Führungssystem? Wie kommen wir zu einem gemeinsamen Verständnis von „Digital Leadership“?

Mitarbeitende & Teams

Welche „Communities“ bauen wir auf, wo lassen wir Freiräume entstehen? Welche agilen Arbeitsformate & Methoden probieren/etablieren wir (Service Design, Scrum etc)? Wie ermöglichen wir Nähe zum Kunden, Verständnis für seine Bedürfnisse und Beweggründe? Wie rüsten wir die marktnahen Einheiten für mehr Verantwortung und Entscheidungskompetenz? Wie holen wir die Mitarbeitenden ab und bringen deren Lernerfahrungen schnell und nachhaltig in die Unternehmensorganisation ein?

Der richtige Kurs

Was immer dem Unternehmen in Bezug auf Digitalisierung wichtig ist: In den Führungslandkarten kann es auf den Radar der Führungskräfte gebracht werden und wird somit Gegenstand des Austauschs und Aushandelns unter den Führungskräften. Verknüpft mit neuen Rollen und einer angepassten Aus- und Weiterbildung für Führungskräfte kann Folgendes gelingen: Den Führungskräften für ihre Reise – wenn auch keine detaillierte Landkarte – wenigstens einen Kompass in die Hand zu geben, der ihnen hilft, im komplexen und vielschichtigen Umfeld die Richtung zu wahren.